Die bedürfnisorientierte Therapie (BoT)

Der bedürfnisorientierte Ansatz bzw. die bedürfnisorientierte Therapie (BoT) ist eine neues, erfahrungsorientiertes und wissenschaftlich fundiertes pädagogisches Konzept, das von Prölß (2020; 2021; 2024) entwickelt wurde. Es verbindet moderne neuropsychologische Erkenntnisse mit lösungsorientierten Methoden und verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zur Förderung psychischer Gesundheit.

 

Grundlage der BoT

Die theoretische Basis der BoT liegt in der Neuropsychologie. Sie geht davon aus, dass jeder Mensch vier grundlegende psychische Bedürfnisse besitzt, wie sie bereits Grawe (2004) beschrieben hat:

  1. Das Grundbedürfnis nach Bindung
    Menschen streben nach emotionaler Nähe, Zugehörigkeit und sicheren Beziehungen.

  2. Das Grundbedürfnis nach Selbstschutz und Selbstwerterhöhung
    Dazu gehört das Bedürfnis nach Sicherheit, Unversehrtheit sowie einem stabilen und positiven Selbstwertgefühl.

  3. Das Grundbedürfnis nach Kontrolle und Orientierung
    Dieses Bedürfnis umfasst das Streben nach Vorhersehbarkeit, Verstehen der Umwelt und dem Gefühl, Einfluss nehmen zu können.

  4. Das Grundbedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung
    Menschen versuchen, angenehme Erfahrungen zu machen und unangenehme oder schmerzhafte Erlebnisse zu vermeiden.

Diese vier Bedürfnisse sind universell und bei allen Menschen in gleicher Weise vorhanden. Eine anhaltende Frustration oder Nichtbefriedigung dieser Bedürfnisse kann zu einer Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens und langfristig zu psychischen Erkrankungen führen. Die BoT setzt genau an diesem Punkt an: Sie hilft Klientinnen und Klienten dabei, ihre unbefriedigten Bedürfnisse zu erkennen, zu verstehen und Wege zu ihrer gesunden Erfüllung zu finden.

 

Die Grundprinzipien der psychischen Grundbedürfnisse nach Grawe:

  • Sicherheit und Bindung fördern: Der Mensch strebt nach emotionaler Nähe, Schutz und Verlässlichkeit. Eine tragfähige pädagogische Beziehung schafft Vertrauen und ermöglicht Heilung durch Bindungserfahrungen.
  • Selbstwert erleben und stärken: Jeder Mensch hat das Bedürfnis, sich als wertvoll und anerkannt zu erleben. Die BoT hilft, abwertende Selbstbilder zu erkennen, Ressourcen zu aktivieren und den eigenen Selbstwert zu festigen.
  • Orientierung und Kontrolle zurückgewinnen: Menschen brauchen das Gefühl, ihr Leben zu verstehen und gestalten zu können. In der BoT wird gemeinsam daran gearbeitet, Handlungsspielräume zu erweitern und ein Gefühl von Kontrolle zurückzuerlangen.
  • Lustgewinn und Unlustvermeidung balancieren: Psychisches Wohlbefinden entsteht, wenn Bedürfnisse nach Freude, Genuss und Entlastung berücksichtigt werden. BoT unterstützt dabei, gesunde Wege zur Bedürfnisbefriedigung zu finden.
  • Kohärenz schaffen: Wenn Erleben, Denken und Handeln sinnvoll zusammenpassen, entsteht innere Stimmigkeit. Die BoT zielt darauf ab, widersprüchliche Erfahrungen zu integrieren und ein stimmiges Selbstbild zu entwickeln.

Anwendung

Im pädagogischen Setting wird gezielt an den Grundbedürfnissen des Klienten gearbeitet. So bildet beispielsweise der Aufbau einer tragfähigen, emotional belastbaren Psychologen-Klienten-Beziehung oder Lehrkraft-Schüler-Beziehung das Fundament der Arbeit und erfüllt das Bedürfnis nach Bindung.

Anschließend werden selbstwertsteigernde und selbstwertstabilisierende Methoden eingesetzt, um das Bedürfnis nach Selbstschutz und Selbstwerterhöhung zu befriedigen. Darüber hinaus wird mithilfe lösungsorientierter Ansätze nach Wegen gesucht, das Bedürfnis nach Kontrolle und Orientierung zu erfüllen.

Das therapeutische (oder pädagogische) Setting sollte stets so gestaltet sein, dass auch das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung (≈ Wohlfühlen) berücksichtigt und befriedigt wird, da dies das allgemeine Wohlbefinden des Klienten unterstützt.

Forschung und Entwicklung

Umfangreiche Studien zu den Auswirkungen von Defiziten in den einzelnen Grundbedürfnissen sind bereits vorhanden (siehe hierzu Borg-Laufs & Dittrich, 2010; Brisch, 2018; Grawe, 2004). Das Gesamtkonzept der Bedürfnisorientierten Therapie wird derzeit durch wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten (z. B. Bachelor- und Masterarbeiten) kontinuierlich weiterentwickelt.

 

 

Literatur zum Thema

Prölß, A. (2024). Traumapädagogik in der Schule: Ratgeber zum Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen. Mülheim: Verlag an der Ruhr. 

 

 

 

 

Prölß, A. (2021). Bedürfnisorientierte Therapie in Theorie und Praxis.

Norderstedt: BoD-Verlag.

 

 

Prölß, A. (2020): Aggressive Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen. Grundlagen, Diagnostik und gezielte Interventionen. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag.

 

Jarzombek, S. (2020). Psychische Grundbedürfnisse in der Schule: Ein Handbuch für Pädagogik und Therapie. Norderstedt: BoD-Verlag.

 

Grawe, K. (2004). Neuropsychotherapie. Göttingen: Hogrefe Verlag.